Saitenwürmer
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Saitenwürmer in Trinkwasserversorgungsanlagen



Da wir uns aus gegebenem Anlass mit deren Vorkommen in Trinkwasserversorgungsanlagen auseinandersetzen mussten, haben wir hier die wichtigsten Informationen über Saitenwürmer zusammengetragen.


Allgemeines

Der Tierstamm Saitenwürmer (Nematomorpha) setzt sich, soweit derzeit bekannt, aus bis zu 320 Arten zusammen, welche primär in Süßwasser leben. Sie können weltweit in Pfützen, Bächen, Seen o.ä. gefunden werden. Sie leben in ihren frühen Entwicklungsstadien parasitär in Insekten. Zur Fortpflanzung verlassen sie jedoch ihre Wirte, um Geschlechtspartner zu finden. Für Menschen sind Saitenwürmer in der Regel harmlos, da sie keinen potentiellen Wirt darstellen. Nur in sehr seltenen Fällen konnten parasitierende Saitenwürmer in Menschen nachgewiesen werden.


Anatomie der Saitenwürmer

Saitenwürmer sind blass-weiß bis gräulich, teilweise aber auch rötlich gefärbt. Ihr Körper ist rund, unsegmentiert und in der Regel sehr lang (i.d.R. 10-50 cm) und dünn (1-3 mm). Sie sind getrenntgeschlechtlich und weisen einen sehr deutlichen Geschlechtsdimorphismus auf, was heißt, dass männliche und weibliche Vertreter dieser Gruppe sich stark voneinander unterschieden. Die Larven der Saitenwürmer sind zwischen 50 und 150 µm lang und daher mit freiem Auge nicht sichtbar.

Paragordius tricuspidates, Quelle: Wikipedia - Saitenwürmer



Lebenszyklus

Saitenwürmer parasitieren bevorzugt Laufkäfer, Langfühler- und Fangschrecken, kommen aber auch teilweise in Weberknechten, Libellen, Amphibien etc. vor. Die geschlüpften Larven der Saitenwürmer gelangen über die Nahrungsaufnahme der Insekten oder aktiv über einen Bohrapparat in den Wirt. Finden sie keinen Wirt, so bilden sie Dauerstadien (Cysten) aus, welche über mehrere Wochen überleben können, bis sie von einem Wirt als Nahrung aufgenommen werden.

Im Wirt wächst der Saitenwurm heran und nimmt über seine Haut die Nährstoffe aus dem Wirt auf (Fettgewebe). Kurz vor ihrer Geschlechtsreife produzieren die Saitenwürmer, soweit bisher bekannt, Moleküle, die den Zelltod von Nervenzellen auslösen. Zudem produzieren sie Wachstumsfaktoren, die die Entwicklung des Gehirns des Wirtes beeinflussen. Durch diese Einflüsse wird der Wirt zwanghaft dazu gebracht, Wasserstellen aufzusuchen.

linkes Bild: Aus Wirt (Eichenschrecke) austretender Saitenwurm (Spinichordodes tellinii), Quelle: Wikipedia - Saitenwürmer; rechtes Bild: (A) Gordius aquaticus, Weibchen (dunkel) und Männchen (hell) bei der Kopulation. befruchtete Eier werden später in Körperdicken Laichschnüren um Wasserpflanzen geschlungen. (B) Gordonius sp. beim Verlassen seines Wirts, eines Laufkäfers (Carabidae); Quelle: "Spezielle Zoologie, Teil 1: Wirbellose Tiere" Westheide W., Rieger R., Gustav Fischer Verlag, 1996; Bild (A) kombiniert nach Wesenberg-Lund (1910) und Dorier (1930), Bild (B) Original J. Bresciani, Kopenhagen.



Im Wasser verlassen die Saitenwürmer den Wirt durch Gelenkhäute oder den After. Nach dem Verlassen des Wirtes sterben die Wirte in der Regel. Die Parasiten können nach dem Verlassen des Wirtes 2 Monate bis maximal 1 Jahr überleben. In diesem Lebensstadium nehmen sie keine Nahrung mehr zu sich. Die Weibchen bleiben zumeist an der Stelle, an der sie den Wirt verlassen haben. Die Männchen suchen die Weibchen auf und wickeln sich um ihren Körper. Kommen viele Saitenwürmer an einer Stelle vor, bilden sich so regelrechte Paarungsknäuel, welche an einen gordischen Knoten erinnern (weshalb auch eine Gattung der Saitenwürmer Gordius genannt wurde). Die Männchen übertragen die Spermien durch eine Kopulation und sterben danach meist direkt ab. Die Weibchen speichern die Spermien. In ihnen erfolgt dann eine interne Befruchtung. Die Weibchen legen dann mehrere 10.000 Eier in Form von Laichschnüren ab, welche unter Wasser verankert werden. Die Weibchen wickeln sich anschließend um die Laichschnüre und verweilen an derselben Stelle. Sobald die Larven schlüpfen, erfolgt die erneute Parasitierung eines Wirtes durch die Larven bzw. die Ausbildung von Dauerstadien.


Vorkommen am Beispiel einer Trinkwasserversorgungsanlage

Da Saitenwürmer Insekten parasitieren kann es vorkommen, dass sie auch in Trinkwasserversorgungsanlagen mit zu geringer Überhöhung des Behälters gegenüber dem Gelände, mangelhaften Insektenschutzgittern bzw. mangelhaften Türrahmendichtungen gefunden werden können. Da diese keine Menschen parasitieren ist dies beim ersten Erkennen für den Menschen optisch zwar ein "Schrecken", jedoch noch kein Indiz für eine tatsächliche Gefährdung der Gesundheit der Konsumenten. Dennoch sollte beim Auffinden von Saitenwürmern die Trinkwasserversorgung unverzüglich vorübergehend gesperrt und eine Prüf- und Inspektionsstelle kontaktiert werden, um zu bestätigen, dass es sich tatsächlich um Saitenwürmer handelt und eine Gefährdung der Gesundheit der Konsumenten auch bezüglich der mikrobiologischen Beschaffenheit des Trinkwassers ausgeschlossen werden kann.

Nach der Inspektion und Analytik bzgl. der mikrobiologischen Parameter (Stufenkontrolle) ist eine intensive Reinigung der gesamten Trinkwasserversorgungsanlage sowie die Beseitigung der hierfür verantwortlichen Mängel notwendig (i.d.R. mangelhafte Türrahmendichtungen bzw. Insektenschutzgitter).

Übersicht eines Quellsammelschachtes; Auf dem Foto ist neben anderer Mängel auch eine an der Behälterwandung befindliche Schnecke sowie ein im Wasser schwimmender toter Käfer sichtbar. Der Käfer war aller Wahrscheinlichkeit nach der Wirt der im Wasser befindlichen Saitenwürmer.
Foto: K+U, Christian Kostrouch


Detailaufnahmen der Saitenwürmer im Quellsammelschacht; linkes Bild: Die Saitenwürmer haben ein deutlich sichtbares Paarungsknäuel ausbildet. Anhand einzelner freischwimmender Saitenwürmer ist erkennbar, dass es sich dabei um ca. 50 cm lange Exemplare handelt. rechtes Bild: Bei den roten Saitenwürmern handelt es sich um weibliche Exemplare. Die weißen Fäden zwischen den Saitenwürmern sind Laichfäden, welche mehrere 10.000 Eier enthalten können.
Foto: K+U, Christian Kostrouch



Hinweis

Wie bereits beschrieben sind Saitenwürmer in der Regel für den Menschen ungefährlich. Doch sie zeigen anschaulich, was passieren kann, wenn Trinkwasserversorgungsanlagen Mängel aufweisen. Können Saitenwürmer in einen Behälter gelangen, so ist klar, dass auch Insekten und andere Kleintiere in den Behälter gelangen können, welche auch potentiell gefährliche Bakterien, Viren oder Pilze übertragen können.

Daher sollte nicht erst darauf gewartet werden, bis ein so eindeutiges Indiz für bauliche Mängel auftritt. Im Zuge der Inspektion von Trinkwasserversorgungsanlagen durch akkreditierte Inspektionsstellen wird unter anderem auch immer überprüft, ob

  • engmaschige Insektenschutzgitter vorhanden sind,

  • Türrahmendichtungen mit dem jeweiligen Werkstoff bündig abschließen und durchgängig angebracht sind,

  • Behälter über eine ausreichende Überhöhung verfügen um das Eindringen von Oberflächenwasser zu verhindern,

  • Kleintiere im Trinkwasserbehälter gefunden werden können,

  • Wurzeln in den Behälter bzw. über das Zulaufrohr einwachsen,

  • funktionstüchtige Froschklappen an den Überläufen angebracht sind

  • oder sonstige bauliche Schäden bestehen.



  • Um die Trinkwasserversorgungsanlage langfristig vor solchen leicht zu vermeidenden Problemen zu bewahren, empfehlen wir, sofern sie bereits Mängel gefunden und eventuell bereits sogar beseitigt haben, dies im Zuge der Inspektion mitzuteilen. Bei akuten Problemstellungen sollte auch direkt eine Prüf- und Inspektionsstelle kontaktiert werden, um passende Lösungen zu finden und eventuelle Kontrolluntersuchungen durchführen zu lassen.


    Beispiel eines mangelhaften Insektenschutzgitter; Insektenschutzgitter wurde in diesem Fall durch eine mechanische Einwirkung an der markierten Stelle beschädigt.
    Foto: K+U, Barbara Jussel


    Türe eines Quellsammelschachtes; Bei diesem Quellsammelschacht ist an der Metalltüre als auch im Türrahmen keine Türrahmendichtung angebracht.
    Foto: K+U, Matthias Schönherr



    Deckel eines Kunststoff-Quellsammelschachtes; der Quellsammelschacht wurde ohne ausreichende Überhöhung hergestellt (max. 5 cm Überhöhung hangseitig, 20 cm Überhöhung erforderlich), wodurch nicht ausgeschlossen werden kann, dass Oberflächenwasser in den Quellsammelschacht eindringen kann. Zudem wurde das Pilzentlüftungsrohr manuell entfernt (abgeschraubt), auf welchem sich der Pilzentlüftungsaufsatz sowie ein Insektenschutzgitter befinden. Der Quellsammelschacht ist somit nicht vor Kleintieren, Staub o.ä. geschützt.
    Foto: K+U, Matthias Schönherr






    Literaturverzeichnis:

    - "Saitenwürmer", Wikipedia; Zitierzeitpunkt: 18.12.2012; Wikipedia - Saitenwürmer
    - "Two Human Cases Infected by the Horsehair Worm, Parachordodes sp. (Nematomorpha:Chordodidae), in Japan", Minoru Yamada, Tatsuya Tegoshi, Niichiro Abe, and Misako Urabe; The Korean Journal of Parasitology; 2012 September; 50(3): 263-267; Minoru Yamada et. al, 2012
    - "Spezielle Zoologie, Teil 1: Wirbellose Tiere", Westheide W. und Rieger R. (Hrsg.); Gustav Fischer Verlag; 1996; 1. Ausgabe; S. 711 - 713; ISBN 3-437-20515-3.